Mit Urteil vom 18.01.2022 hat der EuGH entschieden, dass die Mindestsätze der HOAI in der alten Fassung (a. F.; bis 31.12.2020) für Altverträge weiterhin anwendbar sind.
Vorangegangen war eine Entscheidung des EuGH vom 14.07.2019, nach der die Mindestsätze der HOAI gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Nach dieser Entscheidung war umstritten, ob die Mindestsätze der HOAI a. F. weiterhin anwendbar sind, was teilweise unter Verweis auf den Geltungsbereich von Richtlinien als Umsetzungsauftrag allein an die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 288 S. 3 AEUV verneint (so OLG Hamm 2019, KG Berlin 2019, OLG München 2019) und teilweise unter Verweis auf den Grundsatz der möglichst effektiven Durchsetzung von Europarecht gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 EUV (effet utile) bejaht wurde (u.a. OLG Celle 2019, OLG München 2020 und – für das Rheinland – OLG Düsseldorf 2019).
Seit der Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022 ist klar,
„dass ein nationales Gericht nicht allein aufgrund des Unionsrecht verpflichtet ist, eine Bestimmung, die mit dem Unionsrecht im Widerspruch steht, unangewendet zu lassen.“
Auf die gegenteilige Auffassung insbesondere des OLG Düsseldorf für das Rheinland wird man sich danach nicht mehr stützen können.
Schaut man sich den Wortlaut der Entscheidung des EuGH genau an, so fällt auf, dass der EuGH nicht entschieden hat, dass Architekten danach zwingend immer den Mindestsatz verlangen können. Der EuGH hat nämlich formuliert, dass die Mindestsätze „nicht alleine aufgrund des Unionsrechts“ unangewendet bleiben müssen. Damit bleiben andere Einwendung gegen die Anwendbarkeit der Mindestsätze weiterhin möglich.
Zu diesen anderen Einwendungen gehört insbesondere die Treuwidrigkeit der (Nach-) Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI a. F. bei bereits erfolgter Abrechnung und Zahlung unterhalb der Mindestsätze. Die Hürden dafür sind nach der Rechtsprechung des BGH zwar hoch, der die Bedeutung und Durchsetzung von zwingendem Preisrecht betont. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden aber teilweise auch erleichterte Anforderungen vertreten (so etwa das OLG Celle 2019 in einem obiter dictum). Es ist daher keinesfalls gesagt, dass der Architekt nach der jetzigen Entscheidung des EuGH zwingend immer das Mindestsatzhonorar bekommt.
Nach der Entscheidung des EuGH aus 2019 ist die HOAI mit Wirkung zum 01.01.2022 dahingehend geändert worden, dass die Mindestsätze – die neue HOAI spricht vom Basishonorar – bei Fehlen einer Honorarvereinbarung verbindlich gelten, im Falle einer Honorarvereinbarung in Textform aber auch unterschritten werden dürfen, § 7 Abs. 1 HOAI 2021. Die Entscheidung des EuGH vom 18.01.2020 hat Relevanz daher nur für alle Architektenverträge, die bis zum 31.12.2020 geschlossen worden sind.